Keine Randnotiz

MediNetz Bremen

Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus

KOP Bremen

Bündnis in Erinnerung an Qosay

Allyship

Allyship ist ein englisches Wort und wird ins Deutsche meist mit „Verbündet-Sein“ übersetzt. Verbündet wofür oder wogegen? – Gegen Diskriminierungsformen, gegen die Benachteiligung von Menschen, die auf Grund von zugeschriebenen Merkmalen anders behandelt werden, schlechtere Möglichkeiten haben und unter Vorurteilen leiden.

Allyship oder Verbündet-Sein ist etwas, dass privilegierte Menschen üben können. Es geht um das Handeln und Denken von Personen, die Privilegien genießen und unterschiedliche Diskriminierungen nicht erfahren können also beispielsweise nicht durch rassistische Aussagen und Handlungen adressiert werden.

Allies möchten sich solidarisch zur der an den Rand gestellten Gruppe verhalten. Das heißt vor allem, das eigene Handeln und Denken stetig zu hinterfragen. Es reicht nicht aus gegen z.B. Rassismus öffentlich Haltung zu beziehen. Verbündet-Sein heißt auch, eigene Vorurteile und Anteile an der Unterdrückung betroffener Personen zu erkennen. Das bedeutet, sich kritisch mit der eigenen Sozialisierung, den eigenen Privilegien und auch den Vorteilen zu befassen und aktiv Räume und Positionen (wie beispielsweise Sprecher*innenrollen, Jobs, Redeanteile) zu öffnen und ggf. abzugeben. Verbündet-sein ist eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit sich selbst und geht Hand in Hand mit dem Verantwortungsgefühl sich für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft einzusetzen.

Diese Beschreibung geht vor allem auf Tupoka Ogette zurück. Sie ist Autorin des Bestsellers „exit racism“, in dem sie die Entstehungsgeschichte des Rassismus, vor allem in Deutschland, erläutert und aufzeigt, wie sich rassistische Strukturen in Denken, Handeln und Gesellschaft eingeschrieben haben. Seit vielen Jahren thematisiert sie Rassismuskritik und Antirassismus im deutsch-sprachigen Raum. Neben ihrem Buch, was es auch als Hörbuch auf spotify gibt, postet sie auch regelmäßig zu Antirassismus auf ihrem Instagram-Account.

Hate Crime / Bias Crime - Rechtliche Lage

Hinweis: Dieser Beitrag wurde im September 2021 verfasst und beinhaltet keine etwaigen Reformen der Ampel-Koalition oder folgenden Koalitionen.

 

Wie wir in dem Beitrag zur Begrifflichkeit hate crime erklärt haben, geht es bei dem Ausdruck um eine kriminelle Handlung mit Vorurteilsmotiv, die sich, stellvertretend an einem Individuum, gegen alle Angehörigen einer bestimmten Gruppe richtet und als Botschaftsverbrechen verstanden werden muss. Man könnte also meinen, dass hier ein besonderes Strafrecht Anwendung finden müsste, da hate crimes auf zahlreichen Ebenen eine besondere Schwere beinhalten. So verstoßen hate crimes beispielsweise gegen zahlreiche Artikel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in denen unter anderem das Recht auf Menschenwürde, auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit verankert ist sowie das Verbot von Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion, der sexuellen Ausrichtung oder einer Behinderung. Dementsprechend gibt es in einigen europäischen Ländern eine spezielle Hate-Crime-Gesetzgebung, wie Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien oder Spanien. In Deutschland jedoch nicht.

Dabei gibt es viele Gründe, warum die Einführung von hate crimes als eigener Strafbestand nicht nur sinnvoll, sondern notwendig ist. Es geht hier zum einen um den symbolischen Wert für die Angehörigen der Gruppen, gegen die hate crimes gerichtet werden. Entsprechende Gesetze könnten signalisieren, dass die Strafgerichtsbarkeit die Situation erkennt und sich den Schutz der Betroffenen zur Aufgabe macht. Außerdem würde eine entsprechende Gesetzgebung das Vertrauen in die Strafverfolgungs- und Strafrechtssysteme erhöhen, was Betroffene dazu bewegen könnte, hate crimes eher anzuzeigen. Dies ist von äußerster Relevanz, da davon ausgegangen wird, dass aktuell viele Betroffene aufgrund von mangelndem Vertrauen hate crimes eben nicht anzeigen, was zu einer hohen Dunkelziffer und einer starken Untererfassung führt. Dazu trägt auch die mangelnde Datenerhebung zu hate crimes in vielen EU-Mitgliedstaaten bei.

Ein weiteres, wichtiges Argument für die Einführung eines eigenen Strafbestandes ist der Umstand, dass Ermittler*innen, Staatsanwält*innen oder Richter*innen hate crimes ohne eine rechtliche Kategorie oft nicht richtig bearbeiten, indem sie den Betroffenen beispielsweise misstrauen oder vorurteilsgeleitete Motive nicht berücksichtigen oder ausreichend untersuchen. Vor allem bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit ist es von hoher Relevanz, dass vorurteilsgeleitete Motive erkannt werden, um die Tat vor Gericht richtig zu kontextualisieren und gegebenenfalls entsprechende Beweise aufzunehmen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schlägt in einer Veröffentlichung zu Hate-Crime-Gesetzen konkrete Schritte vor, die über die reine Gesetzgebung hinausgehen und zum Ziel haben, vorurteilsgeleitete Gewalt zu bekämpfen. Dazu gehören:

  • Schulung von Strafverfolgungspersonal bezüglich der Ermittlung von hate crimes, der Arbeit mit Opfern und der strafrechtlichen Verfolgung von Fällen;
  • Sammeln genauer Daten über Verbrechen mit einem Vorurteilsmotiv, auch wenn solche Verbrechen strafrechtlich nicht als hate crimes verfolgt werden;
  • Bereitstellen von Rechtsmitteln gegen Diskriminierung im bürgerlichen Recht;
  • Einführen von Antidiskriminierungsinstanzen mit einem Mandat, Opfer von hate crimes und Diskriminierung zu unterstützen;
  • Gemeinschaften ansprechen und Beziehungen zwischen Strafverfolgungsinstanzen und betroffenen Gruppen fördern, sodass sich Geschädigte bestärkt fühlen, Verbrechen anzuzeigen;
  • Bildungsarbeit für die Öffentlichkeit über Toleranz und Nichtdiskriminierung.

Diese über den rechtlichen Rahmen hinausgehenden Schritte zeigen, wie tiefsitzend das vorurteilsgeleitete Motiv ist und dass es mehr als nur eines Gesetzes bedarf, um dagegen vorzugehen. Eine eindeutige Gesetzgebung wäre jedoch ein guter Anfang.

 

Quellen:

Sprache dekolonisieren

“(…) Sprache verändert unsere Wahrnehmung. Weil ich das Wort kenne, nehme ich wahr, was es benennt.”
Das schreibt Kübra Gümüşay in ihrem 2020 erschienenen Buch “Sprache und Sein”, aus dem in diesem Beitrag noch mehr Zitate folgen werden.

Wörter und alltägliche Floskeln transportieren oft tradierte Ideen des Kolonialismus, der sich in der Sprache manifestiert hat. Dabei handelt es sich um rassistische Ausdrücke sowie um Wörter, die Menschen in Gruppen einteilen, voneinander durch imaginierte Merkmale abgrenzen und sie als ‘Anders’ definieren. Historisch betrachtet brauchte es eine ideologische Grundlage, um koloniale Gewalt gegenüber den als ‘die Anderen’ definierten Menschen auszuüben, weshalb ein Diskurs darüber geführt wurde, dass Menschen nach ‘Rassen’ unterteilt und diese wiederum in Hierarchien eingeteilt werden könnten. Die Etablierung der Definition der ‘Anderen’ sowie der Rassentheorie legitimierte also gewaltsame Besetzungen und Kriege.
Sprachlich haben sich diese Gedankengrundlagen in rassistischen Wörtern manifestiert und werden bis heute unreflektiert verwendet, was eine Normalität der sprachlichen Abgrenzung von Menschen zur Folge hat.
“Wenn Sprache unsere Betrachtung der Welt so fundamental lenkt – und damit auch beeinträchtigt -, dann ist sie keine Banalität, kein Nebenschauplatz politischer Auseinandersetzungen. Wenn sie der Stoff unseres Denkens und Lebens ist, dann müsste es selbstverständlich sein, dass wir uns immer wieder fragen, ob wir einverstanden sind mit dieser Prägung. (…) Sprache ist mächtig. Und Macht bedeutet Verantwortung”,so Gümüşay.
Um Sprache zu dekolonisieren, schlägt die Sprachwissenschaftlerin Susan Arndt eine Art öffentlich eingesetzte Kommission vor, die aus Expert*innen, Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen bestehen sollte, denn Rassismus ist ein strukturelles Problem, das strukturell angegangen werden muss. Denn in rassistischen Wörtern wird Gewalt transportiert und täglich reproduziert. Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sieht Arndt im diskriminierungsfreien Sprechen nicht, denn Rassismus ist keine Meinung. Dass diese oft englisch seien, wie etwa der Begriff „People of Color“, liege daran, dass in Deutschland sehr lange nicht über Rassismus gesprochen wurde.
Vokabellücken oder Sprachlosigkeit bedeutet der Verzicht auf rassistische Wörter nicht – nach Arndt gibt es jahrzehntelange antirassistische Vorarbeit und entsprechend viele diskriminierungsfreie Begriffe, die analog verwendet werden können. Dies erklärt z.B., warum es notwendig war Straßennamen umzubenennen und es schon lange überfällig wird Supermarktprodukte neu zu benennen, wie z.B. ‘Schaumküsse’. Um nochmal mit einem Zitat von Gümüşay die Wichtigkeit der Sprache hervorzuheben: “Klar ist also: Wir müssen uns mit der Architektur der Sprache beschäftigen, die unsere Realität erfassen soll. Damit wir aussprechen können, was ist. Damit wir sein können, wer wir sind. Damit wir sehen können, wer die jeweils anderen sind.” (Gümüşay 2020: 21).

 

Quellen:

Sara