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Hate Crime / Bias Crime -Begrifflichkeit

Der Begriff hate crime kommt aus der anglo-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, wobei es aufgrund des hohen Bezuges zum gesellschaftlichen Kontext weder in den USA, noch in Europa eine einheitliche Definition gibt. Denn hate crimes entstehen aus gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und somit stehen sie auch im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Aber was bezeichnet hate crime dann? Der Begriff hate crime beschreibt eine strafrechtlich relevante Handlung, die sich direkt gegen Personen oder indirekt über ihren Besitz gegen sie richtet und als Botschaftsverbrechen eine bestimmte Gruppe adressieren. Dies kann beispielsweise durch Bedrohung, physische Gewalt oder auch Einschüchterung stattfinden. Außerdem sind die Täter*innen hierbei teilweise oder gänzlich durch Vorurteile geleitet, welche sie gegenüber bestimmten Merkmalen wie zum Beispiel Religion, Behinderung oder sexueller Orientierung haben. Wie hate crime basieren auch die übersetzten Begriffe Hasskriminalität und Hassverbrechen also auf vorurteilsgeleiteten Motiven und nicht – wie die Begriffe irreführenderweise vermuten lassen – auf dem individuellen Hass gegenüber dem oder den Geschädigten. Oder anders gesagt: hate crimes richten sich nicht gegen ein Individuum, sondern das Opfer wird aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten vom Täter oder der Täterin imaginierten Gruppe ausgewählt. Die Tat muss also als eine Art Botschaftsverbrechen verstanden werden, welche zwar Einzelpersonen angreift, sich stellvertretend aber auch an eine angenommene Zugehörigkeitsgruppe richtet. Diese werden mitgemeint, eingeschüchtert, bedroht und verängstigt. Deshalb werden für hate crime auch höhere Strafmaße gefordert. Während der Begriff der Hasskriminalität also irreführend ist, wären geeignetere Bezeichnungen für diese spezielle Art von Straftaten beispielsweise im Englischen der Begriff des bias crime– oder im Deutschen vorurteilsgeleitete Kriminalität oder vorurteilsgeleitete Straftaten.

 

Quellen

  • Perry, Barbara (2009): The victims of hate crime. Praeger perspectives No.3
  • Pinar, Gül (2015): Rechtsextremismus und Hate-Crime-Gesetze

 

Hate Crime / Bias Crime - Rechtliche Lage

Hinweis: Dieser Beitrag wurde im September 2021 verfasst und beinhaltet keine etwaigen Reformen der Ampel-Koalition oder folgenden Koalitionen.

 

Wie wir in dem Beitrag zur Begrifflichkeit hate crime erklärt haben, geht es bei dem Ausdruck um eine kriminelle Handlung mit Vorurteilsmotiv, die sich, stellvertretend an einem Individuum, gegen alle Angehörigen einer bestimmten Gruppe richtet und als Botschaftsverbrechen verstanden werden muss. Man könnte also meinen, dass hier ein besonderes Strafrecht Anwendung finden müsste, da hate crimes auf zahlreichen Ebenen eine besondere Schwere beinhalten. So verstoßen hate crimes beispielsweise gegen zahlreiche Artikel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in denen unter anderem das Recht auf Menschenwürde, auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit verankert ist sowie das Verbot von Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion, der sexuellen Ausrichtung oder einer Behinderung. Dementsprechend gibt es in einigen europäischen Ländern eine spezielle Hate-Crime-Gesetzgebung, wie Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien oder Spanien. In Deutschland jedoch nicht.

Dabei gibt es viele Gründe, warum die Einführung von hate crimes als eigener Strafbestand nicht nur sinnvoll, sondern notwendig ist. Es geht hier zum einen um den symbolischen Wert für die Angehörigen der Gruppen, gegen die hate crimes gerichtet werden. Entsprechende Gesetze könnten signalisieren, dass die Strafgerichtsbarkeit die Situation erkennt und sich den Schutz der Betroffenen zur Aufgabe macht. Außerdem würde eine entsprechende Gesetzgebung das Vertrauen in die Strafverfolgungs- und Strafrechtssysteme erhöhen, was Betroffene dazu bewegen könnte, hate crimes eher anzuzeigen. Dies ist von äußerster Relevanz, da davon ausgegangen wird, dass aktuell viele Betroffene aufgrund von mangelndem Vertrauen hate crimes eben nicht anzeigen, was zu einer hohen Dunkelziffer und einer starken Untererfassung führt. Dazu trägt auch die mangelnde Datenerhebung zu hate crimes in vielen EU-Mitgliedstaaten bei.

Ein weiteres, wichtiges Argument für die Einführung eines eigenen Strafbestandes ist der Umstand, dass Ermittler*innen, Staatsanwält*innen oder Richter*innen hate crimes ohne eine rechtliche Kategorie oft nicht richtig bearbeiten, indem sie den Betroffenen beispielsweise misstrauen oder vorurteilsgeleitete Motive nicht berücksichtigen oder ausreichend untersuchen. Vor allem bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit ist es von hoher Relevanz, dass vorurteilsgeleitete Motive erkannt werden, um die Tat vor Gericht richtig zu kontextualisieren und gegebenenfalls entsprechende Beweise aufzunehmen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schlägt in einer Veröffentlichung zu Hate-Crime-Gesetzen konkrete Schritte vor, die über die reine Gesetzgebung hinausgehen und zum Ziel haben, vorurteilsgeleitete Gewalt zu bekämpfen. Dazu gehören:

  • Schulung von Strafverfolgungspersonal bezüglich der Ermittlung von hate crimes, der Arbeit mit Opfern und der strafrechtlichen Verfolgung von Fällen;
  • Sammeln genauer Daten über Verbrechen mit einem Vorurteilsmotiv, auch wenn solche Verbrechen strafrechtlich nicht als hate crimes verfolgt werden;
  • Bereitstellen von Rechtsmitteln gegen Diskriminierung im bürgerlichen Recht;
  • Einführen von Antidiskriminierungsinstanzen mit einem Mandat, Opfer von hate crimes und Diskriminierung zu unterstützen;
  • Gemeinschaften ansprechen und Beziehungen zwischen Strafverfolgungsinstanzen und betroffenen Gruppen fördern, sodass sich Geschädigte bestärkt fühlen, Verbrechen anzuzeigen;
  • Bildungsarbeit für die Öffentlichkeit über Toleranz und Nichtdiskriminierung.

Diese über den rechtlichen Rahmen hinausgehenden Schritte zeigen, wie tiefsitzend das vorurteilsgeleitete Motiv ist und dass es mehr als nur eines Gesetzes bedarf, um dagegen vorzugehen. Eine eindeutige Gesetzgebung wäre jedoch ein guter Anfang.

 

Quellen:

Levy