Intersektionalität

Intersektionalität

Intersektionalität meint, dass soziale Kategorien wie zum Beispiel Gender, Race oder Klasse nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern in ihren ‚Verwobenheiten’ und Wechselwirkungen analysiert werden müssen. Die Ursprünge von Intersektionalität liegen im Black Feminism und der Critical Race Theory, wobei der Begriff von der US-amerikanischen Juristin Kimberley Crenshaw geprägt wurde. Crenshaw betont, dass ohne das Bewusstsein für das Zusammenwirken von Diskriminierung aufgrund von Mehrfachzugehörigkeiten die daraus folgende Benachteiligung nicht erkannt und in ihrer Komplexität erfasst werden kann. Diese Blindheit beschreibt Crenshaw für Betroffen als „virtuelle Isolation“ – weil sie in öffentlichen Debatten und Entscheidungen nicht eingeschlossen sind. Dies passiert zum Beispiel dann, wenn die Erfahrung Schwarzer Frauen unsichtbar gemacht wird, indem weiße Frauen zur Betroffenheitsnorm von Sexismus und Schwarze Männer zur Betroffenheitsnorm rassistischer Diskriminierung gemacht werden.

Intersektionalität denkt damit vereinfachende Konzepte der Mehrfachdiskriminierung weiter. Mit „Mehrfachdiskriminierung“ wird beispielsweise gefasst, dass eine Frau mit Behinderung beim Zugang zu Karriere aufgrund ihres Geschlechts und beim Zugang zu einem Gebäude aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert wird. Während Mehrfachdiskriminierung also eine Addition oder Akkumulation von Diskriminierung aus unterschiedlichen Gründen zu unterschiedlichen Zeitpunkten bezeichnet, werden bei Intersektionalität  Diskriminierungsformen nicht getrennt voneinander betrachtet. Stattdessen werden sie in ihrer Überkreuzung als eigenständige Diskriminierungserfahrung gedacht. Crenshaw benutzt zur Veranschaulichung die Metapher einer Straßenkreuzung mit mehreren Straßen aus Sozialen Kategorien. Dort wo sich Race und Gender kreuzen, steht in der Mitte die Schwarze Frau, die sowohl aufgrund von Sexismus, als auch aufgrund von Rassismus eine intersektionale Diskriminierung erfährt. Aus dieser Intersektion von Diskriminierungserfahrungen, sagt Crenshaw, ergibt sich eine ganz eigene soziale Position der Schwarzen Frau. Bei Intersektionalität geht es also um das gleichzeitige Zusammenwirken von sozialen Ungleichheiten und eine Analyse ihrer Wechselwirkungen.

Diese Metapher der Straßenkreuzung ist allerdings in einem juristischen Kontext entstanden und laut der Pädagogin Katharina Walgenbach nicht ausreichend, um Machtverhältnisse und Diskriminierungserfahrungen in jedem anderen Kontext zu verstehen. Walgenbach sieht in Intersektionalitätskonzepten außerdem das Risiko der Bestätigung einer Norm von homogenisierenden Kategorisierungen, die eigentlich in frage gestellt werden soll.  Denn mit der Metapher einer Straßenkreuzung werden beispielsweise Gender und Race immer noch als isolierte Kategorien gefasst. Damit wird die Vorstellung reproduziert, dass jede Kategorie in sich homogen sei. Walgenbach hat daher mit weiteren Wissenschaftler*innen der Humboldt Universität das Konzept der Interdependenzen entwickelt.  Anstatt von Abhängigkeiten zwischen Kategorien bzw. Machtverhältnissen auszugehen, geht es hier darum, die Kategorien an sich als interdependent und heterogen zu erfassen. Anders als bei der Metapher der Kreuzung, gibt es hier keinen Zusammenprall getrennter Ursachen für Diskriminierung, sondern eine wechselseitige Verschränkung der Diskriminierungsdimensionen, die von Anfang an existiert. „Gender“ ist somit durch die Verwobenheiten immer auch ein Teil der anderen sozialen Kategorien und umgekehrt andere Kategorien auch immer abhängig von Gender. Mit Interdependenz wird „Intersektionalität“ gegenwärtig also nochmals weitergedacht.

 

Quellen

Kofi

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